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Dienstag, 7. Oktober 2014

Ein Wochenende der Extreme

So liege ich also nach unserem kleinen Shoppingausflug überaus gesättigt in meinem Bett und finde endlich mal Zeit, das vergangene Wochenende Revue passieren zu lassen (nein, wir konnten bei dem unglaublich verlockenden Angebot in der Konditorei von Nicoya definitiv nicht nein sagen und haben uns mit Croisson- und Berlinerähnlichen Leckereien eingedeckt). Ganz wichtig dabei als kleine Selbsttherapie ist die Regel: Immer zwei Hände am iPod haben! Diese gefühlten 100 Mücken- und sonstigen Insektenstiche an den Füßen sind aber auch wie eine Foltermethode der Natur. 
Apropos Folter, na gut, dieses Wort wäre für die vergangenen 3 Tage sicher etwas übertrieben, aber unser langersehnter Besuch im Schildkrötencamp hatte es definitiv in sich. Mit großem Enthuasiasmus und bis zum Platzen gefüllten Rucksäcken starteten wir am Freitagmittag Richtung Buena Vista, einem eigentlich nur 4 Kilometer entfernten Strand. Wäre da nicht die etwas wilde Vegetation und ein kleines Flüsschen zu überqueren. Aber hey, Fahren auf geteerten Straßen kann ja nuk auch wirklich jeder. Uns jedenfalls entzückte die Vorstellung von unberührter Natur, bestechender Einfachheit und neuen Eindrücken. Letztere warteten zahlreich auf uns als wir gegen frühen Nachmittag endlich im Camp ankamen. Das erste, was auffiel war, dass unsere übersprudelnde Aufgeregtheit gepaart mit der Tatsache, dass Nele und ich nicht gerade unkommunikative Persönchen sind, zu einem 99%igen Sprachanteil in der Gruppe der dortigen Freiwilligen führte. So richtig die Party schien nicht abzugehen am Arsch der Welt. Hm, dann also die Zeit nutzen um die Unterkunft genauer zu inspizieren und die Betten zu beziehen. (ich hab mich schon wieder beim Kratzen erwischt) Der Anblick der Matratzen hätte entweder einem Horrorfilm oder einer wissenschaftlichen Abhandlung über die Verbreitungsgebiete von Milben entstammen können. Die zarte Grünfärbung und der süßliche Duft sprachen ihre eigene Sprache. Witzigerweise waren gerade keine Bettlaken parat. Warum auch, ist doch so viel kuscheliger. "Das Abendbrot ist tip top, es gibt nur einmal in der Woche Suppe, aber keine Sorge, das hatten wir schon einmal." war der Kommentar eines Freiwilligen zum Thema Essen. Ausnahmen bestätigen aber bekannterweise die Regel und so gab es die beiden nächsten Abende: Suppe! Ansonsten war das kulinarische Angebot aber unser geringstes Problem. Mit Spannung wurde der Schichtplan für die Nacht erwartet, denn gemäß der inneren Uhr der Schildis ist dies ihre aktivste Zeit. In der Hochsaison kommen sie zu hunderten an die Pazifikküste um an Land ihre Eier abzulegen, die nach ungefähr 45 Tagen zu kleinen, durchaus puschigen Miniexemplaren ihrer schwergewichtigen Eltern mutieren. Und anscheinend waren gerade in dieser Nacht die 45 Tage rum - Segen und Fluch zu gleich. Als wir nach 1,5 Stunden "Schlaf" mit unseren tierischen Mitbewohnern von einer anderen Freiwilligen geweckt wurden und sie uns zuflüsterte, das erste Nest sei gerade am schlüpfen, konnten wir unser Glück nicht fassen. Unsere 5-Stunden-Schicht traten wir in ultraheißer improvisierter Moskitoschutzkleidung an. In einen Eimer mit nassen Sand wurden die kleinen Schützlinge mit strahlenden Augen vorsichtig abgesetzt. "Ich fühle mich wie eine Mama" war mein verzückter Kommentar an dieser Stelle. Schnell noch die ersten 10 Kandidaten wiegen und messen, alles notieren und ab zum entsprechenden Strandabschnitt mit ihnen. Noch ganz verzaubert von den kleinen Panzern und knuffigen Füßchen, die wild in der Luft strampelten, kamen wir zurück zum Nistplatz. Wir konnten unseren Augen nicht trauen als uns auf einmal 99 Schildis zugleich anguckten und sich ungeduldig im viel zu kleinen Schutznetz tummelten. Uiuiui, da war die Mami aber fleißig. Also los, keine Zeit zum verschnaufen, gleiches Prozedere nochmal! Und nochmal, und nochmal und nochmal. Es wollte einfach kein Ende nehmen. Insgesamt schlüpften in unserer Schicht fast 500 Schildkröten in 8 Nestern. Völlig erschöpft und von den ausgedehnten Strandspaziergängen im Stechschritt durchaus etwas lediert, wussten Nele und ich nicht so recht, ob wir nun lachen oder weinen sollte. Genau erinnerten wir uns an die letzten Worte von Neles Gastmutti: "Wenn irgendwas ist, ruft mich an, ich hol euch da raus!"...
Aber aufgeben, nach nur einer Nacht? Wat is denn los mit uns?! Und auch diese Horrornacht nahm irgendwie ein Ende. Positive Nachricht des Tages: Die Bettlaken sind inzwischen aufgetaucht. Bett bezogen und 3, 2, 1, Tiefschlaf. Gott sei dank konnten wir kein Gramm Gehirnschmalz mehr dafür investieren, über ranzige Betten nachzudenken. Stattdessen verarbeiteten wir im Schlaf auf unterschiedliche Weise unser frisch gewonnenes Schildkrötentrauma. 
Der nächste Morgen begann mit einem Frühsport der besonderen Art. Immer dem netten, wenn auch ziemlich taffen spanischen Betreuer hinterher und ab zur 2-stündigen Strandsäuberung, VOR dem Frühstück. Irgendwann hatte er zum Glück ein wenig Mitleid mit uns - oder er sah die Bananen und Tortillas, die vermutlich wie Dollarzeichen in meinen Augen aufblitzten. Nach einigen Minuten Verschnaufpause am Esstisch folgten Reinigungsarbeiten am Haus und jemand hatte die ganz besonders schlaue Idee, die feuchten Matratzen im Sand zu trocknen. Die Sandflöhe jedenfalls freuten sich sehr über eine neue Heimat. 
Da das Freizeitangebot mitten im Nirgendwo sehr limitiert ist, blieb uns nichts als der Strand. Das Schwimmen gestaltete sich jedoch aufgrund der bis zu 2 Meter hohen Wellen und der extremen Strömung etwas schwieriger. Resultat war passives Rumliegen am Strand und ein Sonnenbrand, von dem ich auch heute noch was habe. In diesen Momenten der Ruhe wurde uns beiden ein für alle mal klar, was für ein verdammtes Glück wir mit unseren Gastfamilien in Sámara haben und wie privilegiert wir eigentlich leben. Wir hatten sogar schon etwas wie "Heimweh" nach Sámara - ein mega merkwürdiges Gefühl. Wenn man dachte, hier sei das Leben einfach, dann muss man sich für einige Tage in das Schildkrötenprojekt begeben und es wird einem wie Schuppen von den Augen fallen. Aber ja, genau dazu war dieses Wochenende gut! 

So unglaublich froh waren wir, als wir am Sonntag nach einer mehr als abenteuerlichen Überquerung (oder eher Durchquerung?) des bauchnabeltiefen Flusses zwischen Buena Vista und Sámara und einem gemütlichen einstündigen Barfußmarsch durch die Pampa vorbei an abgelegenen Anwesen von Lindsay Lohan und Mel Gibson unser Home Sweet Home erreichten. Die erste Pulperia war unsere! Oreokekse und Schokonusseis inklusive. 

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an Nele, ohne die ich dieses Abenteuer nicht durchgestanden hätte! Wir können so stolz auf uns sein und haben definitiv eine Story mehr, über die wir lachen und die wir in 60 Jahren unseren Enkeln erzählen können! Darauf eine labbrige Eiswaffel! ;) 

Auch die Fotos entschädigen alles, seht selbst!


Sonnenuntergang in Buena Vista, Postkartenmotiv ohne Gleichen! 


<3 Einfach traumhaft!


Kleine Knuddelbacke! Danke, dass du jeden Scheiß mitmachst!


Das Schildkrötencamp, im Vordergrund seht ihr die Nestanlagen. 


Kleiner Fratz, irgendwie doch ein Wunder der Natur. Wir haben übrugens auch 3 ausgewachsene Schildkröten in den Nächten gesehen. Die eine konnte ich sogar anfassen!


Geschwisterliebe! 


Kein Kommentar! (Achtung Herpesalarm)



Schildi Nummer 499! :D


.. und auf dem Weg in die große weite Welt! 


Ab nach Hause! So weit wie uns die Füße tragen und immer der Nase nach. 


Doch wir sind nicht alleine: Links und rechts und über uns begleiten uns die Schreie der Brüllaffen. 


Der Morgen danach: Absolutes Gönnerfrühstück mit Vollkornbrot und Marmelade von der Oma aus Deutschland! Hab ich mal wieder gebraucht! (Auch die Hose hat was abbekommen, keine Sorge ;))



Das beste kommt zum Schluss: PAPA UND MAMA HABEN DEN FLUG GEBUCHT UND BESUCHEN MICH IM JANUAR!!! <3 Diese Woche starten die Planungen!















1 Kommentar:

  1. Ich heule grade vor lachen an den Gedanken wie wir komplett verstört aus diesem Camp wieder kamen. Ich vermisse Sámara und die Zeit mit dir und den anderen..

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