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Dienstag, 30. September 2014

Graue Haare, bunte Kleider

Halli Hallo, meine lieben Blogleser,
bitte seid mir nicht allzu böse für meine beginnende Nachlässigkeit. Das Wochenende über war einfach so viel Trubel, das ich kaum dazu kam, mich hinter den Bildschirm zu setzen. Mission Nummer eins, die heute dank der Hilfe eines fleissigen Handwerkers wohl auch geglückt ist: Meiner Hausratte ein für alle mal den Garaus machen! Lange Zeit haben wir in einer Symbiose gelebt, haben nachts ein Zimmer geteilt und den anderen nur gelegentlich  mit lautem Gequietsche und undefinierbaren Geräuschen geweckt. Aber als meine Speedy Gonzales vorgestern auf die Idee kam, mein für den nächsten Filmabend aufgespartes Popcorn aus dem obersten Regalfach bis auf den letzten Krümel zu plündern und wie ich heute mit Schrecken feststellen musste auch vor den heiligen deutschen Süssigkeiten im Reiserucksack nicht Halt machen wollte, nahm unsere Freundschaft ein jehes Ende. Aus die Maus! Wir haben jetzt alle möglichen Schlupflöcher gestopft, ob mit Holz oder mit Handtüchern, es gibt kein Durchkommen mehr.
Mission Nummer zwei war der Tanzauftritt gestern bei der Feier zum Gedenken an die älteren Bewohner unserer Dorfgemeinschaft. Aber dafür müssen wir von vorne anfangen: Nele und ich halfen am Samstag schon, den Raum für die Festivitäten am folgenden Tag vorzubereiten. Zu meinem Leidwesen stellte sich heraus, dass ich eine der grössten anwesenden Personen war. Das führte dazu, dass ich ziemlich gefragt war, wenn es darum ging, Luftballons und andere Dekoartikel in schwindelerregender Höhe aufzuhängen. Zwischenzeitlich bekamen wir Besuch von den auf einer Laderampe durch den strömenden Regen getrampten Freiwilligen aus Garza, Hannah und Philipp (an dieser Stelle liebe Grüsse an meinen fleissigen Blogverfolger ;)). Bei einem super leckeren Mittagessen und einigen Gesprächen über nicht zu schliessende Toilettentüren und die üblichen Sprachbarrieren (nicht zwischen Ticos und Deutschen, sondern zwischen Norddeutschen, Westdeutschen, Süddeutschen und Österreichern!) stellte sich heraus, dass ich bereits einen bleibenden Eindruck mit einem Wort hinterlassen hatte. Zitat Nele: "Das Leben in Nicaragua ist ja schon ein anderer Schnack", was bin ich stolz, mein Leben hat wieder einen Sinn! :D
Am Sonntag war es dann soweit: TANZAUFTRITT! Was für die etwa 90 (?), meist doch schon nicht mehr ganz so jungen Zuschauer wie 2 mal 2 Minuten hoffentlich leichtfüssiges Getänzel wirkte, waren hinter den Kulissen etwa 4 Stunden mit mehr als 20 beteiligten Personen hinter einem orangen Vorhand. Und hinter diesem Vorhang flossen definitiv auch einige Tränen. Etwa als keine Rücksicht auf diejenigen genommen wurde, die keine Ohrlöcher haben, und die goldenen Plastikkreolen einfach durch das Ohrloch gehämmert wurden! Oder als die ein oder andere beim rigorosen Frisurenstyling einige Haare lassen musste, die unfreiwillig den Weg in die Gemeinschaftsbürste fanden. Leider bekam ich durch den Vorhang nur bedingt mit, was alles passierte. Einmal durch einen Spalt geluschert, beobachtete ich ein Spiel, bei dem alte Leute mit verbundenen Augen sich gegenseitig füttern mussten. Auch der älteste Anwesende wurde mit tosendem Applaus gekürt. Stolze 98 Jahre hatte er schon auf dem Buckel! Der krönende Abschluss und mein persönliches Highlight des Abends war jedoch eine Miss-Wahl der besonderen Art. Man stelle sich vor, dass im katholischen Costa Rica 3 Männer mit Perücken, hautengen Kleidern und ausgestopften Brüsten der Superlative nacheinander aufmarschierten und sich ein sexy Dancebattle mit allem, was dazu gehört lieferte. Die Masse tobte, und die Aktion zeigte wieder ein Mal, wie unnötig meine Bedenken im Voraus waren, in ein verklemmtes kleines Dorf zu kommen, in dem jeder Andersdenkende komisch angeguckt wird. Sandra meint gerade, als ich ihr erzähle, was sie gestern abend verpasst hat, dass es genau das ist, was sie an Samara mag. Dass durch die vielen ausländischen Einflüsse in den letzten Jahren zu einer viel grösseren Toleranz und zum Aufweichen der konservativen Vorstellungen geführt hat.
"Jetzt ist sie eine richtige Tica", meinte Sandra stolz zu ihrer Freundin. Und ja, Nele und ich sind zum Teil sogar schon richtige Lokalpatrioten. Gestern durften uns sogar an einem Spezialinstrument, das an ein grosses Xylophon erinnert, versuchen, das ich bisher nur aus dem Reiseführer kannte.


Hier das Beweismaterial: 



Ultimatives Naturtalent an der Marimba :D


Die umfangreichen Vorbereitungen (2 Stunden +). Für mich ist der "Make Up Artist" im Bild übrigens die schönste Tica, die ich bisher gesehen hab.


Ein Teil der Gruppe beim "guanacastecischen Flamenco".


Uuuuund, Trommelwirbel bitte: Meine Wenigkeit mit Tanzpartner Will (war der größte, der auf die Schnelle aufgetrieben werden konnte ;))



Ich könnte noch so viel mehr über dieses Wochenende schreiben, aber irgendwie knurrt mein Magen doch schon mehr, als es mir lieb ist. Morgen in der Schule werde ich mal einen anderen Lehrer fragen, ob ich ihm im Unterricht helfen kann. Ursprünglich wollte Nele nach ihrem Sprachkurs von der Küche in den richtigen Schulalltag wechseln, aber es gefällt ihr so gut mit Nina zu schnibbeln, dass sie nichts dagegen hat, wenn ich den ursprünglich ihr zugeteilten Lehrer etwas unterstütze und wir uns dann nach einiger Zeit abwechseln. Mal schauen, wie ich das charmant der Informatiklehrerin verkaufe...

Mich hat übrigens ein Mädchen kontaktiert, die nächstes Jahr auch über Firsthand nach Costa Rica gehen will und meinen Blog verfolgt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich über derartiges Feedback freue. Wenn es noch so welche unter euch gibt, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr euch "outet" und ich euch vielleicht einige Fragen beantworten kann, die euch bei der finalen Entscheidung helfen.

¡Hasta luego! ;)


Freitag, 26. September 2014

Über Kartoffelschalen und den vollen Kalender

Die Hände sind rot, am rechten Zeigefinger zeichnet sich eine kleine Blase ab, das Messer ist verbogen wie das neue iPhone, das Wasser überm Gasherd blubbert - ganz klar, in der verrückten Wahn-Armijo-WG gibts heute Kartoffeln. Und die schälen sich nicht alleine, während meine liebe, langsam wieder gesunde Sandrita bei ihrer Stammtischrunde über die wirklich wichtigen Fragen entscheidet, hab ich mich lieber für die ruhigere Variante entschieden. Ubd so sitze ich hier, höre Electroswing, bereite das Abendbrot vor (nachdem ich gestern mit Pfannkuchen begeistern konnte und zusehen musste, wie mein gutes Nutella geplündert wird, gibt es heute ein definitiv unschokoladiges Schnitzel mit Bratkartoffeln). Irgendwie wird es nie langweilig hier, ich komme sogar langsam in den für mich irgendwie überlebenswichtigen, wenn auch sehr uncostaricanischen Stress-Flow. Am Sonntag, an dem ein Fest zu Ehren der älteren Bewohner in der Gemeinde organisiert wird (Gründe zum Feiern finden die Ticos ja immer), hat auch meine Tanzgruppe einen kleinen Auftritt. Auch wenn die Choreographien eigentlich nicht übermäßig anspruchsvoll sind, zitiert uns der perfektionistische Trainer "Poncho" und seine Frau (?) jeden Tag zum Training in den Salon in Torito. Doch vielleicht sollte ich von vorne beginnen, immerhin kam ich einige Tage nicht dazu, etwas zu bloggen: 
1. Ich suchte schon länger eine Beschäftigung für Montage/Freitage, ab denen ich nicht in die Schule muss. 
2. Bei Sandras Englischgruppe sprach mich eine junge und unglaublich hübsche junge Dame namens Marie-Cruz an, ob ich nicht Lust hätte, einmal beim Training vorbeizuschauen. Sandra sollte eigentlich auch mitkommen, kränkelte aber Anfang der Woche und wandelte wie ein kleines Gespenst mit 5 Pullis bei 30 Grad im Haus umher.
3. Diesen Montag war also das erste Treffen, wir sind zwischen 5 und 30 Leuten plus unzähligem Kinderanhang. Und wenn ich dachte, der Englischkurs sei ein verrückter Haufen, dann nur, weil ich diese Gackerhühner noch nicht kannte. Wenn man anspruchsvolle Schrittkombis und Professionalität sucht, ist man dort sicherlich falsch. Aber mir macht es trotzdem unglaublichen Spaß und vor allem hilft es ungemein, sich in die Gemeinschaft zu integrieren. Auf einmal kennen so viele meinen Namen und es ist das erste Mal, dass eine Freiwillige sich für diese doch etwas eigentümliche Art der Folklore interessiert. 
Jetzt muss ich alles daran setzen, bis Sonntag ein passendes Outfit zu organisieren. Dazu werd ich unseren eigentlich zum Einkaufen für die Festivitäten am Sonntag geplanten Ausflug nach Nicoya nutzen und dort die Schwester von Sandra treffen. Ich bin gespannt und hoffe, dass der Rock schöner ist, als der, mit dem ich momentan trainiere und vor allem nicht so aus der Reihe fällt wie dieser babyblaue Traum aus ehemaligen Tischdecken. 
Mittlerweile sind sicher auch die Kartoffeln schon butterweich gekocht und warten auf ihre Weiterverarbeitung zu den besten "Papas fritas" der Welt!

Montag, 22. September 2014

Marie goes super-oldschool

Viel muss ich zu diesen Bildern nicht sagen, mal schauen ob's funktionieren wird ;) 



Aber jetzt schnell auf die Couch! Es kommt Let's Dance <3

Drei Deutsche im Kofferraum...

Ohja, Oma, Mama und wahrscheinlich alle Personen mit einigermaßen funktionierendem Menschenverstand werden mich nach diesem Post wahrscheinlich einmal kräftig durchschütteln wollen, und mich fragen, was zum Teufel uns da heute geritten hat. Mit anderen Worten: "Wat is denn los mit dir?!"
Nunja, nachdem wir heute die gute Hanna(h)?, eine gute Freundin von Nele und unsere Neuankömmlingerin in ihrem Zuhause auf Zeit in Garza besuchten und unsere Betreuerin Angie uns schon frühzeitig verlassen musste, stellte sich die Frage, wie wir denn nun wieder zurück ins schöne Sámara kommen. Wir warteten 45 Minuten, gefühlte Stunden, in der leider wenig kuschekigen Bushaltestelle bei strömendem Regen auf den dann doch irgendwann anrollenden Bus. Was uns erwartete war ein All-Inclusive-Action-Paket für umgerechnet nur 1,30 €. Unzählige Schlaglöcher, Flüsse, nicht zu schließende Fenster, Achterbahnendorphine, ein von Geiern zerstochertes Pferd, das seine besten Zeiten wohl schon hinter sich hatte (zugegeben, das sahen wir schon auf der Hinfahrt) und ordentliches Durchgeschüttele gabs inklusive. Doch das kleine Abenteuer sollte noch nicht zu Ende sein. Eigentlich fing der Spaß erst an, als wir uns von der verlassenen Tankstelle aus, die hier wie eine Bushsltestelle fungiert, auf den Weg zu Fuß nach Sámara machten. Schlappe 6 Kilometer mit nassen Sneakers bzw. kaputten Flip Flops. ¡Pura Vida!
Nachdem uns schon öfter versichert wurde, das Trampen hier die billigste und entspannteste Form der Fortbewegung wäre, kein Taxi in Sicht war und unsere Motivation langsam in den negativen Bereich umschlug, hieß es nun also: Daumen raus! 


Ganz so einfach war es nur leider nicht. Irgendwann erbarmte sich eine Familie aus Nicoya uns in ihrem Schlitten im Kofferraum mitzunehmen. Der Kumpel von Sandra und selbstständiger Mikrobiologe Ricardo, wie sich später rausstellte, hat ein Ferienhaus hier in der Nachbarschaft und so lud er uns 1a vor der Haustür ab. 
Puh, jetzt bin ich aber auch wirklich froh, mit meinen Kuschelsocken auf der Couch zu lümmeln und noch zu leben. 

Ein Foto folgt ;)

Sonntag, 21. September 2014

Heimatgefühle per Knopfdruck

Auch 9900 Kilometer von der Lokhalle in Göttingen entfernt, ist der Bundesvision Songcontest nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen. Nachdem wir gestern abend wieder feiern waren, hab ich mir heute Mal einen absoluten Untätigkeitstag gegönnt. Da ich mich mit der Zeitverschiebung verrechnet hab (13 Punkte im Mathe-Hauptfach...), verpasste ich leider den Auftakt des BuViSoCo. Positiver Effekt der 8 Stunden Unterschied zur schönen Heimat ist jedoch ganz klar, dass ich das wohl erste Mal in meinem Leben eine ausgedehnte Prosieben-Werbeshow ohne einzuschlafen bis zum Ende sehen konnte. Und das warten hat sich mehr als gelohnt. Als die Startnummer 13 an den Start ging, dazerte es keine 5 Sekunden bis sich bei mir die Nackenhaare aufstellten. Marteria hat es geschafft, den unglaublich vielfältigen Charakter Rostocks in unglaublich wenige Worte zu fassen. Das raue Meer, dass doch irgendwie etwas ganz anderes ist, als die karibisch anmutenden Strände mit ihren Kokospalmen, die Luft, die einfach nach Zuhause duftet, der Stadthafen, an dem so viele Erinnerungen hängen, das Dierkower Kreuz mit seinen zum Teil mehr als merkwürdigen Gestalten, das ALEX mit dem quasi im Wochentakt wechselndem Personal und dem ausbrechenden Wahnsinn, wenn mal wieder eine Waffel nach der anderen von den ungeduldigen Touris auf der Terasse bestellt wird, die am Neuen Markt vorbeischleichenden Straßenbahnen, der freundliche Viatnamese im Hauptbahnhof und die viel zu kleinen Toiletten im Studentenkeller, die Schokoladenauswahl in den Supermärkten, der Spinat mit dem Blubb. Es ist schon beeindruckend, was einem alles fehlen kann. Aber so tragisch das auch alles klingen mag, so schlimm  ist es in der Realität gar nicht. Immerhin war es ein Grund, warum ich hergekommen bin: Um die Heimat wieder richtig schätzen lernen zu können. 
Und wenn ich mich mit der guten Lotta das nächste Mal aufrege, dass es im
Edeka an der Holzhalbinsel kein Ben&Jerry's Cookie Dough gibt, dann denke ich an Costa Rica zurück und kann über meine 50-minütige Internetrecherche schmunzeln, ob es hier in irgendeiner Form einen Ben&Jerry's Verkäufer gibt (die Antwort: evtl. in einem Supermarkt in San José).
Zu dem Thema bin ich im Übrigen gestern auf ein Zitat gestoßen, dass ich euch nicht vorenthalten will.


In diesem Sinne: Genießt die Zeit dort, wo ihr gerade seid und saugt jede Minute auf!




Samstag, 20. September 2014

Ein ganz normaler Freitagvormittag...

Langsam ist im kleinen Häuschen gegenüber der Bushaltestelle in Matapalo so etwas wie Alltag eingekehrt. In der Schule kenne ich schon einige Namen der Schüler, weiß, was wir das letzte Mal gemacht haben und wie es ungefähr weitergehen wird, die Lehrerin und ich sind ein relativ eingespieltes Team im Bezug auf die Aufgabenverteilung: 20% der Zeit steht sie an der Leinwand und erklärt, während ich die entsprechenden Schritte am PC ausführe, 80% der Zeit spielt sie mit ihrem Handy eine billige Candy-Crush-Nachmache und die Kinder rufen "MARY". Ich hab meine ultimative Lieblingssorte Nachos und das günstigste essbare Schokoeis entdeckt. Im Kiosk um die Ecke muss ich nicht mehr lange suchen. Auch für die doch ziemlich ausgedehnte Freizeit, die ich besonders Freitag und Montag habe, wenn die anderen Mädels mit Schule und Sprachkurs beschäftigt sind, hab ich schon einige Aufgaben gefunden. So wird diszipliniert das Zimmer geputzt (ja, man kann fast vom Boden essen, wenn man nicht allzu penibel ist ;)), das Fahrrad gereinigt, dass mittlerweile wirklich merkwürdige Geräusche von sich gibt, Blog geschrieben oder auf der Terasse gelesen. Montag gehen wir zum ersten Mal zu einer Tanzgruppe, die sich vor allem mit der traditionellen guanacastischen Folklore beschäftigt beschäftigt. Auch wenn das für den ein oder anderen vielleicht etwas merkwürdigt klingt und schon in eine ziemlich andere Richtung als das bisherige Hip Hop geht - schaden kann die Erfahrung ja nicht. Und bei meinem Essenskonsum kann auch ein bisschen Bewegung nicht schaden. 
Auch wenn vielleicht nicht alles mehr so spektakulär ist, wie in den ersten Tagen, so könnte ich mir nicht vorstellen, wie viele andere Freiwillige hier, nach einigen Wochen wieder nach Hause zu fliegen. Eigentlich ist es ganz angenehm, nicht mehr jedes Mal "kulturgeschockt" zu werden. Das hier ist immerhin kein Urlaub, sondern soll eine möglichst authentische Lebenserfahrung sein. 

Auch wenn angesichts folgender Bilder, der Gedanke, dass das hier wirklich mein Zuhause und keine Traumwelt ist, ziemlich schwer fällt!







 

Mittwoch, 17. September 2014

Costa Rica - ein Schwellenland? Zwischen Fortschritt und Stagnation

Wir sitzen in der Schule, es ist 8.45 Uhr, draußen brennt die Sonne. Von der Hitze aber bekommen wir nichts mit, ganz im Gegenteil: Zum Schutz der 14 nagelneuen Computerplätze wurde vor Kurzem eine Klimaanlage eingebaut. Perfekte Voraussetzungen - das einzige, was fehlt, sind die Schüler. Hier ist es üblich, dass der komplette Unterricht ausfällt, wenn nur der jeweilige Tutor eines Jahrgangs fehlt. Bisher hatten wir noch keinen Schultag, ohne dass mindestens eine Klasse fehlte. 
An diesem Beispiel soll verdeutlicht werden, was bei uns Deutschen nichts als Kopfschütteln verursacht. Der Zwiespalt zwischen unglaublichen Möglichkeiten und dem, was letztendlich daraus gemacht wird. Der gute Wille ist da, aber der finale Schritt, die Umsetzung ist so oft das Problem. Einige erinnern sich vielleicht an ein Zitat aus meinem ersten Blogeintrag hier: "Alles kann, nichts muss..." Und irgendwie ist das gerade noch trauriger, als wäre es anders herum. 
Wie oft hört man hier die Leute sagen, Bildung sei der wichtigste Schlüssel, der einem die Türen zu einer besseren Zukunft und - vor allem in Bezug auf Frauen - zu finanzieller Unabhängigkeit öffnet. Viele träumen davon, eines Tages vielleicht in Europa oder Nordamerika Arbeit zu finden. Gerade deshalb steht das Englisch lernen hoch im Kurs. Aber es bleiben eben doch nur Träume und immergleiche Wortfetzen, die bei  der nächsten Gelegenheit wieder vergessen werden. Gestern Abend konnte ich meine Gastmutti Sandra zu ihrem Englischkurs begleiten. Auf die Frage, wie viele in ihrer Gruppe seien, meinte sie nur "Manchmal 2, manchmal 5, ab und zu 13 oder 14". Ich denke, es ist nicht nötig, diese Zahlen zu kommentieren. Der Kurs an sich war aufgrund des super engagierten, muttersprachlichen Lehrers zwar echt unterhaltsam. Aber als wirklich lehrreich würde ich ihn nicht beschreiben. Es wurde viel gegaggert, sich mit Stiften und Zetteln abgeworfen, das vom Lehrer initiierte Spiel wurde kurzerhand in "durch den Raum laufen und sich mit Fliegenklatschen auf den Kopf hauen" umgestaltet. Man beachte hierbei das Durchschnittsalter von  gut 40 Jahren. Sandra meinte im Nachinein, dass der Kurs für sie mehr ein lustiger Zeitvertreib ist. Keiner der Anwesenden habe ernsthafte Ambitionen, einestages in den Fortgeschrittenen-Kurs zu kommen, es sei doch so viel lustiger...
Vielleicht sind wir hier wirklich noch zu deutsch. Vielleicht dürfen wir uns über all das nicht so einen Kopf machen und müssen wirklich mehr im "Hier und Jetzt" leben, wie es immer wieder angepriesen wird. Aber egal, was in all den Lehrbüchern über die ökonomische, politische und gesellschaftliche Strukur von Schwellenländern geschrieben steht, ich hab meine ganz persönliche Definition hier gefunden. Costa Rica, ein Land, in dem die Menschen in einer Fantasiewelt leben und nicht merken, dass sie sich eigentlich nur selbst im Weg stehen. Ein Land, in dem sich keiner so wirklich entscheiden mag, ob er einen Schritt nach vorne wagen, oder doch lieber in der bekannten Umgebung bleiben soll. Costa Rica, ein Land zwischen Stagnation und Fortschritt.

Montag, 15. September 2014

ENDLICH! Ein kleiner Foto-Nachtrag ;)

Freundlicherweise durfte ich mir den Laptop meines Gastbruders José Fernando ausleihen und endlich mal Fotos von der Kamera hochladen. (hoffentlich hindern mich weder Stromausfälle noch sich verirrende Insekten am posten!) ;)

Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein riesiger Schritt für mich und die Selbstständigkeit. Ab gings Richtung Auto am 31.09.
Vor uns lagen fasst 9 Stunden Fahrt und ein viel zu emotionaler Abschied.
Das vorerst letzte Schnitzel auf deutschem Boden!!! Dafür sind auch die nicht gerade dezenten 16 Euro im überteuerten Flughafenrestaurant nicht zu schade! Gratis dazu: ein gemischter Salat mit Oliven und ebenso gemischte Gefühle. (omnomnomnom)
Schon ein ganzes Stück geschaft. Aufnahme der Anzeige im Flugzeug, dass das Bermudadreieck ohne Schaden passierte.

Unten: Mein neuer Knuddelfreund für einsame Stunden und viiiele verregnete Nächte: Perry - das charmante Dreifingerfaultier. Der Name leitet sich vom spanischen perrezosa (=Faultier) ab ;)

Eindrücke vom Strandtag in Playa Carillo *___* (ich hoffe, die besorgte Promarkt-Verkäuferin sieht das nicht, sonst kriegt sie angesichts der Vorstellung, Sandkörnchen könnten sich im Kameraobjektiv verfangen, sicherlich einen Herzinfarkt).
Sechs braune Ticos, eine deutsche Weißwurst, ganz viel Spaß!
Die hammermäßige Überraschungstorte anlässlich des 23. Geburtstags von Tochter Sol...
... die leider nicht zum Essen bestimmt war ;(

Unten: Unser Wohnzimmer wird spontan zum Pedikürestudio umfunktioniert. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen!
Eins der besten Fotos überhaupt: Nur um einmal einen Eindruck zum Thema Größenverhältnisse zu gewinnen! :D Das bin ich mit meiner costaricanischen Gastmutti Sandra und unseren Fußnägeln im Partnerlook!
Am Kindertag stehen Nele und ihre Gastmutti Nina schon um 8 in der Küche und bereiten 100 Hamburger vor.
Unterstützt werden sie wie immer von den fleißigen "Supermuttis" aus der Nachbarschaft.
Bei der Talentshow der Kinder kam auch der kleine Hip-Hop-Fan nicht zu kurz ;)

Unten: Knuffimaus Nr. 1 nach dem Kinderschminken! Einfach zum durchknuddeln! Die Frage des Tages, wer ist die unglaubliche Stimmungskanone unter dem Clownskostüm?!
Den kleinen Spidermen jedenfalls gefällt es super, sie führen die Polognaise mit an.
Hier seht ihr mal den ganzen bunten Haufen! Alle ganz schön ausgepowert nach 2 Stunden Programm!
Die wohl größte (und vielleicht auch eine der ganz wenigen) Gemeinsamkeit von Deutschen und Ticos: Die ungebrochene Faszination für 22 Männer, einen Ball und 90 Minuten Spsannung. Spätestens seit dem Überraschungserfolg bei der WM gibt es hier keine Alternative zum Fußball mehr.
In der Hoffnung, dass unsere liebe Georgia das hier nicht sieht: Unsere Geburtstagsüberraschung für sie. Aus Mangel an einem Herd entschieden wir uns für Pfannkuchentorte mit Schokoglasur!

Unten: Tadaaa! Das Ergebnis nach einigen Startschwierigkeiten und unerwarteten Problemchen: Die fertige Torte, auf die wir mehr als stolz sind!
Anlässlich des 193. Tages der costaricanischen Unabhängigkeit von den europäischen Konquistadoren fand traditionell ein Lampinonumzug statt. Das Basteln der Laternen ist in jeder Familie eine Frage von Stolz und Zusammenhalt.
Das Feuer steht für die Unabhängigkeit von Elektrizität, für Ursprünglichkeit und Freiheit. Schade um die viele Arbeit, wenn die Laternen am Ende der Zeremonie verbrannt werden.
Heute waren wir in Nicoya, der Hauptstadt der Halbinsel, auf der wir leben, um die Parade zum "Día de la Independencia" zu bewundern.
Jede Schule hat sich mit einer eigens choreografierten Show und zum Teil aufwendigen Kostümen daran beteiligt. Lediglich die lauten Trommelschläge, die die Erde zum Beben brachten, sorgten bei uns für ordentliche Kopfschmerzen.
Eins meiner absoluten Lieblingsfotos: Eine Tänzerin in traditioneller Robe und mit beeindruckendem Hüftschwung.
Auch diese Dame präsentierte uns stolz ihr Outfit!

Ich hoffe, euch haben die Fotos gefallen (und die 3 Stunden hochladen haben sich gelohnt ;)).
Morgen abend gibts dann noch einen ausführlichen Bericht über das Wochenende und die Feiertage!

¡Viva Costa Rica!

Auch wenn ich sonst nicht sonderlich als Patriot bekannt bin, mach ich den Spaß heute und morgen einfach mal mit! Dienstag gibts einen ausführlichen Bericht darüber, wie ich die Feierlichkeiten anlässlich der costaricanischen Unabhängigkeit (und auch anlässlich Georgias Geburtstag morgen ;)) erleben durfte! 
Startet gut in die Woche meine Lieben! 

Die beste Gastmutti der Welt hat mir für heute ihr Costa-Rica-Outfit geliehen! Besonders die Ohrringe sind der hammer! ;)


Sonntag, 14. September 2014

Absolut angekommen!

Oh mein Gott! Was habe ich gerade für einen Heißhunger auf Pinto (das costa ricanische Nationalgericht bestehend aus angebratenem Reis und Bohnen)... Alle, die mich kennen, wissen, dass ich normalerweise unglaublich kompliziert bin, was das Essen angeht! Aber hier ist das Essen einfach sooo lecker. Prinzipiell besteht es immer aus den gleichen Zutaten: Reis, Bohnen, Hühnchen (bestimmt nicht bio), manchmal Salat und Rührei *___* Einfach nur der hammer!

Samstag, 13. September 2014

Es ist Regenzeit!

"Plopp, plopp, plopp" - dieses Geräusch vernehme ich nun schon seit 20 Minuten aus meinem Zimmer. Hier habe ich provisorisch einen Tropfschutz aufgebaut (siehe Bild unten ;)), um die vereinzelten Regentropfen, die sich durch das dünne Wellblechdach schlängeln, aufzufangen. Seit etwa 2 Stunden regnet es ununterbrochen, und wer wie ich einst meint, irgendwann kann doch gar nichts mehr in den Wolken sein, der irrt anscheinend. Es ist Regenzeit in der sonst trockensten Region Costa Ricas, noch mindestens bis November sagt meine Gastmutti. Aber gut, so hat man auch mal Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben: Fingernägel lackieren, Tarzan-Musik auf Spotify hören, ein bisschen lesen und über Gott und die Welt nachdenken. Und schließlich kann ich auch getrost ein kleines Nickerchen machen und mit dem guten Gewissen einschlagen, heute morgen zumindest nicht ganz untätig gewesen zu sein. Denn wir sind dem Aufruf einer in beeindruckender Art und Weise engagierten Dorfbewohnerin gefolgt und haben mit Müllsäcken und improvisierten Handschuhen in Form kleiner Tüten den Plastikmüll und die unzähligen Glasflaschen im Viertel und am Strand eingesammelt. Das war nicht nur ein schöner erster Eindruck, dass derartige Aktionen, wenn auch in kleinerem Rahmen als erwartet, funktionieren können und für uns Freiwillige definitiv ein Anstoß für eigene Maßnahmen. Bei einem Gespräch auf unserer Terasse haben wir uns schon grob über erste Ideen ausgetauscht. Die Jungs, die in Garza leben, haben uns davon berichtet, was sie schon alles auf die Beine gestellt haben - echt beeindruckend. Ich hoffe, dass wir in einigen Monaten auch im Lehrerkollegium das entsprechende Vertrauen gewinnen können, dass für die Rückendeckung bei den Aktionen dringend notwendig ist. 
Demnächst werde ich neben meinem eigenen Blog vermutlich auch für ein Netzwerk schreiben, in der verschiedene NGOs und Organisationen vorgestellt werden. So richtig kann ich mir darunter noch nichts vorstellen, aber wenn es zukünftigen Volunteers bei der Entscheidung hilft, bin ich gerne dabei! :)

Unser Hinterhof... Sogar die Hühner lernen heute schwimmen :D


Meine ultraprofessionelle Regenauffangstation! (nur an dem automatischen Entleeren muss ich noch ein bisschen Tüfteln ;))



Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Wenn alles nichts mehr hilft, muss ich wohl nachher damit in die Stadt radeln. Ich brauch dringend neue Flipflops!!!



Fotos von der Müllaktion am Morgen folgen ;) Adios meine Lieben! <3

Freitag, 12. September 2014

Warum sich totschwitzen..

...wenn man auch den einmaligen Sonnenuntergang genießen kann ;) So wurden aus dem guten Vorsatz, heute Abend am Strand joggen zu gehen, nasse Füße aufgrund der Flut und der felsenfeste Entschluss nach den ersten 300 Metern, umzukehren. Für ein paar peinliche Möchtegern-Yoga-Übungen unter den belustigten Augen der vorbeilaufenden Gringos (amerikanische Einwanderer) hats aber noch gereicht. 

Jetzt wird nochmal ein bisschen mit Sandrita gekocht, die gerade noch im Kiosk um die Ecke shoppen geht ;)

Sámara, Guanacaste, 17.30 und die Sonne verabschiedet sich. <3

Kleiner Nachtrag: Die dritte "muchacha loca" ist Anfang der Woche aus dem tiefsten Süden Deutschlands eingeflogen, ja freilich! ;)



Donnerstag, 11. September 2014

Kinderfest in El Torito

"Habt ihr eigentlich auch mal Unterricht?!", so die durchaus berechtigte Reaktion meiner Knutschkugel aus dem fernen Berlin ;). Anstatt zu lernen, was das Zeug hält, findet hier in der Schule eine Aktion nach der anderen statt. Das ist aber auch für costaricanische Verhältnisse keineswegs normal! Nele und ich haben einfach eine perfekte Reisezeit erwischt. So war am 9. 9. Kindertag, am 15. feiern wir mit viel Tam Tam (die Trommler üben schon fleißig fast jede Nacht ;)) die Unabhängigkeit Costa Ricas und von Weihnachten und Silvester, wenn unser kleines Touristendörfchen aus allen Nähten platzt brauchen wir noch gar nicht anfangen... 
Ich kam her mit der Vorahnung, es handle sich bei Costa Rica um ein Entwicklungsland. Klar stand immer wieder in den Reiseführern geschrieben, es sei "die Schweiz Lateinamerikas", da Costa Rica einerseits seit fast hundert Jahren als fast einziges Land der Welt über kein Militär verfügt und die politische Situation andererseits sehr stabil ist. Aber dennoch hatte ich keine Ahnung, wie fortschrittlich gerade das Bildungssystem ist. Wie auch in Deutschland gibt es eine Schul- und sogar eine KiTa-Pflicht. Die Kinder tragen eine Schuluniform, um soziale Unterschiede in der Schule zu verbergen, auch das Schulessen und die Getränke sind gratis. Ein Großteil finanziert sich zudem über private Spenden und Hilfsorganisationen oder eben über das Geld, dass wir Freiwilligen hier lassen. 

Heute an der "Fiesta de los niños" sollte sich dieser unglaubliche Fortschritt ein weiteres Mal zeigen:
Wir trafen uns mit den anderen Lehrern gegen 7 in der Schule und bereiteten Last-Minute die Dekoration und einige kleine Preise vor. Auch Nele (von den Ticos meist "Nilo?" genannt) war in der Küche schon am routieren, denn heute stand erwas ganz besonderes auf dem Speiseplan: Hamburger! Ich versuchte mich währenddessen - geschickt wie ein Dreifingerfaultier - daran, Cola, Fanta und andere Getränke zusammen mit Eiswürfeln in kleine Plastiktütchen zu füllen. Diese fungieren, für uns ziemlich ungewöhnlich, als Trinkbehältnisse. Hierzu eine kleine Anleitung am Rande: 1. Man nehme den Beutel in beide Hände und beiße eine kleine Ecke Plastik mit den Zähnen ab, 2. Man lässt die Plastikflusen zwischen den Zähnen unauffällig verschwinden, 3. Man trinke aus der winzigen Öffnung während man mit dem wabbeligen Beutel hantiert und dieser hoffentlich weder runterfällt, noch platzt, 4. Völlig durchgeschwitzt und fertig mit den Nerven, in meinem Fall in der Regel vollgekleckert mit Cola, saugt man elegant den Rest Flüssigkeit aus dem Beutel, der dann fachmännisch zusammen mit Bio-Müll entsorgt wird. :D
Zurück zum Kindertag (meine Schreibweise ähnelt dem Durcheinander in meinem Magen seit einigen Tagen): Um 9 starteten wir mir dem Singen der Nationalhymne. Auch die Hymne der Region Guanacaste, in der wir wohnen, wurde schwungvoll angestimmt. Dann gab es einige Auszeichnungen für besonders erfolgreiche Schüler und eine kleine Talentshow mit Sängern, kleinen Poeten und Tänzern. Ulala! Gerade die letzten haben es mir richtig angetan! Mit kurzen Röcken (die Jungs saßen nicht umsonst auf den Treppen etwas unterhalb ;)), begleitet von Pfiffen, tanzten Mädels und Jungs aus den oberen Klassen zu heißen Latinorhythmen. Und das in einem katholischen Land... Da staunten Nele und ich nicht schlecht. Nachdem die Lehrer Eis an die Schüler verteilten ging es für alle in die "Aula", die eher an eine große Garage erinnert. Dort wartete die nächste Überraschung, ein engagierter Clown, der die Kids für die nächsten 2 Stunden ununterbrochen bespaßte. Von den guten alten Malle-Kinderdiskohits, die auch ich mitsingen konnte, bis hin zu Pollonaisen, Kinderschminken und Sackhüpfen war alles dabei. Zum Teil ließ ich mich richtig mitreißen, und ja, vielleicht kann ich auch nicht leugnen beim Anblick der glücklichen Kinder das ein oder andere Mal feuchte Augen gehabt zu haben. Besonders gegen Ende, als ein kleiner Stierkampf simuliert wurde (Jungs, die  in selbstgebastelten Kostümen steckten und mit ihren Pappmachéhörnern durch die Menge tobten). Die Kleinsten unter den Kleinen hatten natürlich ein bisschen Angst und klammerten sich an uns <3

Die kleinen Puschis <3


Heute steht übrigens noch eine kleine Operation an. Die "Powersträhne" aus dem Ferienlager auf Rügen muss raus. Unter der zerstörerischen Sonne hat sie sich verselbstständigt und formt gerade so etwas wie eine verkrüppelte Dreadlock ...Jetzt gibt es bei uns Abendbrot, und ich muss mich echt zusammenreißen, kein Obst zu essen :/ Aber wahrscheinlich ist es besser so, um den Magen zu beruhigen.

Montag, 8. September 2014

Ein bisschen Schleichwerbung am Rande...

Blog von Nele, mit der ich hier bin: www.nelecostarica.wordpress.com ;)

Anders Nilsen - Salsa Tequila (Ohrwurm meines Lebens)


Fiesta, Fiesta, Fiesta

In der Schule habe ich dank meiner nur mittelmäßigen spanischen Verhandlungskünste am erstenTag ("ehm, sí, sí, sí") einen Job als Assistentin im Infounterricht bekommen. Das hat für mich als ziemlich technikunbegabte Person, die bei jedem Smartphone erstmal 10 Minuten, die Power-Taste sucht, zweierlei Konsequenzen. Einerseits soll ich kleinen Giftzwergen, genauergesagt kaffeetrinkenden, ziemlich hyperaktiven 4. Klässlern (!!!) auf Spanisch erklären, wie man kleine Computerspiele programmiert. Halleluja! Git, dass das bei uns eine Aufgabe für das Info-Hauptfach in der Oberstufe war...
Zum Glück bin ich bei all dem nicht alleine. Eine junge Lehrerin namens Dixi leitet mich an und versucht mich sehr bemüht vor übermäßig peinlichen Situationen vor den Schülern zu bewahren. Zur Direktorin hat sie gesagt, dass sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden ist, ich war echt stolz wie Oskar als ich das zu hören bekam *____*
Da Dixi an zwei verschiedenen Schulen mit dem Computer-Programm tätig ist, arbeite ich zur Zeit nur 3 Tage die Woche. Daraus ergibt sich die zweite Konsequenz: ein seeehr langes Wochenende! In meinen Träumen sah ich mich schon am Strand, in der einen Hand eine Kokosnuss, in der anderen das Buch, an dem ich seit Februar letzten Jahres lese und noch nicht wirklich weitergekommen bin. Endlich mal chillen und den Kopf freibekommen, nach all den neuen Eindrücken, die in der letzten Woche auf mich eingeprasselt sind. Aber -puff- da platzte diese Vorstellung wie eine Seifenblase, als Sandra, meine Gastmutti, den Plan für dieses Wochenende ankündigte. Von Samstag auf Sonntag sollte ihre Tochter Sol mit "ein paar Freunden" aus San José kommen, um ihren Geburtstag vorzufeiern (bringt das nicht Unglück?!). Aber fangen wir von vorne an: Den Freitag verbrachte ich auf der frisch und extra der Party wegen ausbetonierten Terasse, versuchte rin Paar regionale Zeitungen zu lesen und plauderte mit Sandrita mal wieder über dies und das. Weil ich mir noch eine Handykarte kaufen wollte, um endlich auch mal mobil erreichbar zu sein, zeigte mir ein Kumpel von Sandra, Ney, den entsprechenden Laden in der Stadt. Ney studiert Info in der nächstgrößeren Stadt und ist bisher der einzige, der hier ziemlich flüssig Englisch spricht. Auch wenn es natürlich nicht zur Gewohnheit werden sollte und nicht unbedingt zum Fortschritt hinsichtlich des Spanischen beiträgt, tut es einfach unglaublich gut, mit einem Einheimischen einfach über alles reden zu können. So erzählte mir Ney stolz von seinem sehr, nunja, ungewöhnlichen Hobby, in der katholischen Kirchgemeinde als Flaggenschwinger in traditionellen Kostümen bei heglichen Veranstaltungen aufzutreten. Nunja, ich wusste nicht so ganz, was ich dazu sagen sollte, also lächelte ich einfach -wie fast immer. Im Handyladen fielen mir erneut die krassen Sicherheitsbestimmungen auf. Irgendwo in einem Laden mit 2 Mitarbeitern mitten in der Pampa begegnen einem plötzlich Türsteher mit Metalldetektoren und wollen, dass man den Regenschirm als potenzielle Schlagwaffe vor der Tür lässt. Was für uns ziemlich übertrieben wirkt, ist wohl angesichts der Tatsache, dass erst vor kurzem jemand in der Stadt erschossen wurde und Kriminalität gerade in den größeren Städten und in Hafengegenden, wo die Drogenschmuggler, die Costa Rica als Bindeglied zwischen Südamerika und den USA ansehen, besonders aktiv sind, leider alltäglich ist, mehr als angemessen. (ich merke schon, dass wird ein dezent umfangreicher Blogeintrag, hoffentlich seid ihr noch nicht eingeschlafen :D)
Zur Abwechslung deshalb mal eine wirklich spannende Info: Ich hab am Freitag das erste wirklich exotische Tier gesehen: ein Gürteltier, dass einfach gemütlich in einem Busch rumraschelte! Die kommen sogar hier nicht so oft in städtischen Gebieten vor. Mal schauen, wie lang die Liste an Tieren wird, wenn ich erstmal im Regenwaldprojekt bin.
Ney lieferte mich pünktlich (ja, dieses Wort existiert, wenn auch nicht oft, auch  im Sprachgebrauch der Ticos) bei Nele, der anderen Deutschen hier ab, die gerafe mit ihrem Sprachkurs fertig war. Bei einem gemeinsamen Stadtspaziergang lernte ich das kleine, aber feine Zentrum Sámaras kennen. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass auch hier die "alternative Ökowelle, wie ich sie nenne, langsam überschwappt. Es gibt einen Veggie-Burgerladen und ein megageiles Biogeschäft. Dort werde ich sicher noch den ein oder anderen Colón lassen. An einem Stand probierten wir Litchees, die von außen so verrückt aussahen, als wären sie nicht von dieser Welt (keine Sorge Mama, sie waren novh geschlossen und die hygienischen Bedingungen waren tip top ;)). Abends hieß es dann das erste, aber definitiv nicht letzte Mal an diesem Wochenende: ¡Fiesta! Für so einen kleinen Ort bietet Sámara echt eine gute Auswahl an Bars und Discotheken. Die Musik ist typisch lateinamerikanisch, deutsche bzw. Europäer im Allgemeinen erkennt man meistens schon von Weitem an ihrem grenzwertigen Rhythmusgefühl und den etwas steifen Bewegungen. Das Publikum ist sehr gemischt, die Getränke in den Clubs verglichen mit den normalen Preisen ziemlich teuer (für uns immer noch bezahlbar, ein Bier für umgerechnet etwa 2€). Alles im Prinzip fast alles wie beim Alten, wären da nicht diese zum Teil sehr aufdringlichen Muchachos. Vielleicht war es Glück, oder der Tatsache geschuldet, dass ich im Schnitt ein Kopf größer bin als die Kerle, aber ich wurde noch relativ verschont. Meine Freundin Nele mit ihren blonden Haaren hatte nicht ganz so viel Glück (um ihr nicht in den Rücken zu fallen, soll ich an dieser Stelle einwerfen, dass sie die ganze Zeit von einem 1,95 großen, gutaussehenden und durchtrainierten Latino mit dem Hüftschwung des Jahrtausends angetanzt wurde, ... ;)). Gegen 3.30 Uhr brachten mich die anderen nach Hause. Unser Weg führte uns vorbei am Strand mit einem Sternenhimmel, wie ich ihn selten gesehen hab. Natürlich, das hat sich auch hier nicht geändert, hatte ich meine Brille nicht auf und war wie immer eine kleine Eule. Deshalb kam es zu kleinen Unstimmigkeiten, ob es sich bei den Flugobjekten am Himmel um Glühwürmchen oder Sternschnuppen handelte. Mir egal, ich hab mir trotzdem was gewünscht :P. 
Als ich am nächsten morgen gemütlich um 10 aufwachte, war schon wieder Full House, die ersten Partygäste für den Abend waren angekommen und wollten mit mir an den Strand. Dazu hielten sie das erst beste Auto an und wir trampten gemütlich zu 7 auf vier Sitzen nach Carillo, in die nächste Bucht. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Gummibärchen, dass zusammen mit seinen Kompanen in einer viel zu kleinen Tüte bei 30 Grad in der Sonne zusammenschmilzt. Carillo ist im Gegensatz zum Strand in Sámara ein wahrer Bilderbuchstrand und jetzt im "Winter" ein absolutes Surferparadies. Der optische Unterschied zu dem Strand hier beruht darauf, dass Carillo vor dem Erdbeben, dass hier vor ziemlich genau 2 Jahren die Regale von den Wänden hat fallen lassen und periodisch etwa alle 5 Jahre an dieser Stelle aufgrund plattentechtonischen Verschiebungen auftritt, weitgehend verschont geblieben ist. Als ich zurück kam, war Sandra schon seit mehreren Stunden am kochen und Ney hatte mit der Dekoration begonnen. Wieder einmal hat mich so extrem beeindruckt, wie sie mithilfe einfachster Mittel etwas ganz wundervolles schaffen. Die Party war so aufwendig, wie bei uns meistens nur der 18. oder vielleicht runde Geburtstage. Abends versammelten sich unzählige Gäste in unserem kleinen Häuschen, es wurde costaricanischer Rum ausgeschenkt, und das Geburtstagskind wurde standesgemäß mit dem Gesicht die aufwendig gestaltete Torte gedrückt. Und obwohl mir nach all den Aktivitäten schon die Augen zu fielen, kam ich natürlich auch an diesem Abend nicht daran vorbei, nochmal in eine Tanzbar in die Stadt zu gehen. Was war ich den Lehrern in der Schule dankbar, dass sie uns für Sonntagvormittag von den Vorbereitungen für den Bingo-Nachmittag befreit haben. 
Zusammen mit Sandra, Nele, unserer Betreuerin Angie und meinem neuen Fahrrad ging es also am nächsten Tag ganz entspannt zum Bingo. Und wieder einmal wurden alle meine Erwartungen übertroffen. Aber nicht um 10%, sondern um mindestens 50! Stellt euch vor in Rostock würde irgendeine Grundschule in einem Vorort mit vielleicht 350 Einwohnern einen Bingonachmittag an einem Sonntag ankündigen. Wie viele wären wohl da? Die Lehrer und ein paar Schüler mit ihren genervten Eltern, die ihren freien Tag für so einen Quatsch opfern müssen. Und hier?! Hier ist es ein richtiges kleines Event, dass keiner verpassen will. Die Dorfbewohner bereiten es seit Tagen vor, einige Muttis helfen in der Küche, andere bauen die Leinwand und den Beamer auf, Geschäfte aus ganz Sámara spenden teure Preise, wie Drucker, nagelneue Geschirrsets etc. Und auch wie emotional die Ticos dabei sind: ab und zu brechen regelrechte Tumulte aus, wenn fast 10 Personen gleichzeitig Bingo schreien. Sandra und ich hatten bis zuletzt gehofft, einen neuen Ventilator mit nach Hause nehmen zu können, nachdem ich seit Tagen befürchte, der in meinem Zimmer würde eines Nachts explodieren :D Aber nein, Bingo-King hat versagt. Die bisherige Gewinnstatistik von 100% (erstes Mal Bingo auf der AIDA) ist versaut. Was ein "día triste"! Zum Trost haben wir Sandra das Sprichwort "Pech im Spiel, Glück in der Liebe" beigebracht ;) Als allerletztes gewann Nele dann noch einen Special-Preis: einen Gutschein für eine Pediküre in einem Kosmetiksalon! Spätestens das hat dieses unglaubliche Wochenende abgerundet! Wenn die nächsten auch nur halb so spektakulär werden...


Mein ganzer Stolz: Das neue Fahrrad! Ich konnte den Preis immerhin auf 80$ runterhandeln und hoffe, ich kanns später wieder weiterverkaufen! Außer den etwas abebteuerlichen Bremsen ist es in einem super Zustand!


Partyvorbereitung auf costaricanisch! Von links nach rechts: Nele (mein kleines Blondie-Girl), Lisa (die an heute wieder auf dem Weg zurück nach Deutschland ist, weil sie nur ihre Sommerferien hier verbracht hat), Ronny (Gastbruder der beiden mit einem Fabel für leuchtende Fahrradhandschuhe), Man Chao (?) (Kumpel von Ronny, der fast so heißt wie ein Sänger aus dem Spanischbuch in der Schule), meine Wenigkeit, und die Runde komplettieren: Tortillachips mit Limettengeschmack, etwas gewöhnungsbedürftig, sowie O-Saft, der noch nie eine Orange gesehen hat. 


Noch etwas chaotische Partydekoration, aber das Endergebnis war der Hammer!


Hier hab ich einfach mal mein Frühstück fotografiert. Ich präsentiere: die geilste Ananas, die ich je gegessen hab!


Es war einmal eine Zeit, in der der Bingo-King noch zuversichtlich war. Die Maiskörner dienten als Spielsteine. Die Ticos - Improvisationskünstler Nr. 1.


Überblick über die verrückte Bingo-Meute :D




Ich hoffe, dass ich morgen in der Schule mal Fotos von meiner Kamera hochladen kann! Hasta luego! <3