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Dienstag, 30. September 2014

Graue Haare, bunte Kleider

Halli Hallo, meine lieben Blogleser,
bitte seid mir nicht allzu böse für meine beginnende Nachlässigkeit. Das Wochenende über war einfach so viel Trubel, das ich kaum dazu kam, mich hinter den Bildschirm zu setzen. Mission Nummer eins, die heute dank der Hilfe eines fleissigen Handwerkers wohl auch geglückt ist: Meiner Hausratte ein für alle mal den Garaus machen! Lange Zeit haben wir in einer Symbiose gelebt, haben nachts ein Zimmer geteilt und den anderen nur gelegentlich  mit lautem Gequietsche und undefinierbaren Geräuschen geweckt. Aber als meine Speedy Gonzales vorgestern auf die Idee kam, mein für den nächsten Filmabend aufgespartes Popcorn aus dem obersten Regalfach bis auf den letzten Krümel zu plündern und wie ich heute mit Schrecken feststellen musste auch vor den heiligen deutschen Süssigkeiten im Reiserucksack nicht Halt machen wollte, nahm unsere Freundschaft ein jehes Ende. Aus die Maus! Wir haben jetzt alle möglichen Schlupflöcher gestopft, ob mit Holz oder mit Handtüchern, es gibt kein Durchkommen mehr.
Mission Nummer zwei war der Tanzauftritt gestern bei der Feier zum Gedenken an die älteren Bewohner unserer Dorfgemeinschaft. Aber dafür müssen wir von vorne anfangen: Nele und ich halfen am Samstag schon, den Raum für die Festivitäten am folgenden Tag vorzubereiten. Zu meinem Leidwesen stellte sich heraus, dass ich eine der grössten anwesenden Personen war. Das führte dazu, dass ich ziemlich gefragt war, wenn es darum ging, Luftballons und andere Dekoartikel in schwindelerregender Höhe aufzuhängen. Zwischenzeitlich bekamen wir Besuch von den auf einer Laderampe durch den strömenden Regen getrampten Freiwilligen aus Garza, Hannah und Philipp (an dieser Stelle liebe Grüsse an meinen fleissigen Blogverfolger ;)). Bei einem super leckeren Mittagessen und einigen Gesprächen über nicht zu schliessende Toilettentüren und die üblichen Sprachbarrieren (nicht zwischen Ticos und Deutschen, sondern zwischen Norddeutschen, Westdeutschen, Süddeutschen und Österreichern!) stellte sich heraus, dass ich bereits einen bleibenden Eindruck mit einem Wort hinterlassen hatte. Zitat Nele: "Das Leben in Nicaragua ist ja schon ein anderer Schnack", was bin ich stolz, mein Leben hat wieder einen Sinn! :D
Am Sonntag war es dann soweit: TANZAUFTRITT! Was für die etwa 90 (?), meist doch schon nicht mehr ganz so jungen Zuschauer wie 2 mal 2 Minuten hoffentlich leichtfüssiges Getänzel wirkte, waren hinter den Kulissen etwa 4 Stunden mit mehr als 20 beteiligten Personen hinter einem orangen Vorhand. Und hinter diesem Vorhang flossen definitiv auch einige Tränen. Etwa als keine Rücksicht auf diejenigen genommen wurde, die keine Ohrlöcher haben, und die goldenen Plastikkreolen einfach durch das Ohrloch gehämmert wurden! Oder als die ein oder andere beim rigorosen Frisurenstyling einige Haare lassen musste, die unfreiwillig den Weg in die Gemeinschaftsbürste fanden. Leider bekam ich durch den Vorhang nur bedingt mit, was alles passierte. Einmal durch einen Spalt geluschert, beobachtete ich ein Spiel, bei dem alte Leute mit verbundenen Augen sich gegenseitig füttern mussten. Auch der älteste Anwesende wurde mit tosendem Applaus gekürt. Stolze 98 Jahre hatte er schon auf dem Buckel! Der krönende Abschluss und mein persönliches Highlight des Abends war jedoch eine Miss-Wahl der besonderen Art. Man stelle sich vor, dass im katholischen Costa Rica 3 Männer mit Perücken, hautengen Kleidern und ausgestopften Brüsten der Superlative nacheinander aufmarschierten und sich ein sexy Dancebattle mit allem, was dazu gehört lieferte. Die Masse tobte, und die Aktion zeigte wieder ein Mal, wie unnötig meine Bedenken im Voraus waren, in ein verklemmtes kleines Dorf zu kommen, in dem jeder Andersdenkende komisch angeguckt wird. Sandra meint gerade, als ich ihr erzähle, was sie gestern abend verpasst hat, dass es genau das ist, was sie an Samara mag. Dass durch die vielen ausländischen Einflüsse in den letzten Jahren zu einer viel grösseren Toleranz und zum Aufweichen der konservativen Vorstellungen geführt hat.
"Jetzt ist sie eine richtige Tica", meinte Sandra stolz zu ihrer Freundin. Und ja, Nele und ich sind zum Teil sogar schon richtige Lokalpatrioten. Gestern durften uns sogar an einem Spezialinstrument, das an ein grosses Xylophon erinnert, versuchen, das ich bisher nur aus dem Reiseführer kannte.


Hier das Beweismaterial: 



Ultimatives Naturtalent an der Marimba :D


Die umfangreichen Vorbereitungen (2 Stunden +). Für mich ist der "Make Up Artist" im Bild übrigens die schönste Tica, die ich bisher gesehen hab.


Ein Teil der Gruppe beim "guanacastecischen Flamenco".


Uuuuund, Trommelwirbel bitte: Meine Wenigkeit mit Tanzpartner Will (war der größte, der auf die Schnelle aufgetrieben werden konnte ;))



Ich könnte noch so viel mehr über dieses Wochenende schreiben, aber irgendwie knurrt mein Magen doch schon mehr, als es mir lieb ist. Morgen in der Schule werde ich mal einen anderen Lehrer fragen, ob ich ihm im Unterricht helfen kann. Ursprünglich wollte Nele nach ihrem Sprachkurs von der Küche in den richtigen Schulalltag wechseln, aber es gefällt ihr so gut mit Nina zu schnibbeln, dass sie nichts dagegen hat, wenn ich den ursprünglich ihr zugeteilten Lehrer etwas unterstütze und wir uns dann nach einiger Zeit abwechseln. Mal schauen, wie ich das charmant der Informatiklehrerin verkaufe...

Mich hat übrigens ein Mädchen kontaktiert, die nächstes Jahr auch über Firsthand nach Costa Rica gehen will und meinen Blog verfolgt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich über derartiges Feedback freue. Wenn es noch so welche unter euch gibt, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr euch "outet" und ich euch vielleicht einige Fragen beantworten kann, die euch bei der finalen Entscheidung helfen.

¡Hasta luego! ;)


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