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Montag, 8. September 2014

Fiesta, Fiesta, Fiesta

In der Schule habe ich dank meiner nur mittelmäßigen spanischen Verhandlungskünste am erstenTag ("ehm, sí, sí, sí") einen Job als Assistentin im Infounterricht bekommen. Das hat für mich als ziemlich technikunbegabte Person, die bei jedem Smartphone erstmal 10 Minuten, die Power-Taste sucht, zweierlei Konsequenzen. Einerseits soll ich kleinen Giftzwergen, genauergesagt kaffeetrinkenden, ziemlich hyperaktiven 4. Klässlern (!!!) auf Spanisch erklären, wie man kleine Computerspiele programmiert. Halleluja! Git, dass das bei uns eine Aufgabe für das Info-Hauptfach in der Oberstufe war...
Zum Glück bin ich bei all dem nicht alleine. Eine junge Lehrerin namens Dixi leitet mich an und versucht mich sehr bemüht vor übermäßig peinlichen Situationen vor den Schülern zu bewahren. Zur Direktorin hat sie gesagt, dass sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden ist, ich war echt stolz wie Oskar als ich das zu hören bekam *____*
Da Dixi an zwei verschiedenen Schulen mit dem Computer-Programm tätig ist, arbeite ich zur Zeit nur 3 Tage die Woche. Daraus ergibt sich die zweite Konsequenz: ein seeehr langes Wochenende! In meinen Träumen sah ich mich schon am Strand, in der einen Hand eine Kokosnuss, in der anderen das Buch, an dem ich seit Februar letzten Jahres lese und noch nicht wirklich weitergekommen bin. Endlich mal chillen und den Kopf freibekommen, nach all den neuen Eindrücken, die in der letzten Woche auf mich eingeprasselt sind. Aber -puff- da platzte diese Vorstellung wie eine Seifenblase, als Sandra, meine Gastmutti, den Plan für dieses Wochenende ankündigte. Von Samstag auf Sonntag sollte ihre Tochter Sol mit "ein paar Freunden" aus San José kommen, um ihren Geburtstag vorzufeiern (bringt das nicht Unglück?!). Aber fangen wir von vorne an: Den Freitag verbrachte ich auf der frisch und extra der Party wegen ausbetonierten Terasse, versuchte rin Paar regionale Zeitungen zu lesen und plauderte mit Sandrita mal wieder über dies und das. Weil ich mir noch eine Handykarte kaufen wollte, um endlich auch mal mobil erreichbar zu sein, zeigte mir ein Kumpel von Sandra, Ney, den entsprechenden Laden in der Stadt. Ney studiert Info in der nächstgrößeren Stadt und ist bisher der einzige, der hier ziemlich flüssig Englisch spricht. Auch wenn es natürlich nicht zur Gewohnheit werden sollte und nicht unbedingt zum Fortschritt hinsichtlich des Spanischen beiträgt, tut es einfach unglaublich gut, mit einem Einheimischen einfach über alles reden zu können. So erzählte mir Ney stolz von seinem sehr, nunja, ungewöhnlichen Hobby, in der katholischen Kirchgemeinde als Flaggenschwinger in traditionellen Kostümen bei heglichen Veranstaltungen aufzutreten. Nunja, ich wusste nicht so ganz, was ich dazu sagen sollte, also lächelte ich einfach -wie fast immer. Im Handyladen fielen mir erneut die krassen Sicherheitsbestimmungen auf. Irgendwo in einem Laden mit 2 Mitarbeitern mitten in der Pampa begegnen einem plötzlich Türsteher mit Metalldetektoren und wollen, dass man den Regenschirm als potenzielle Schlagwaffe vor der Tür lässt. Was für uns ziemlich übertrieben wirkt, ist wohl angesichts der Tatsache, dass erst vor kurzem jemand in der Stadt erschossen wurde und Kriminalität gerade in den größeren Städten und in Hafengegenden, wo die Drogenschmuggler, die Costa Rica als Bindeglied zwischen Südamerika und den USA ansehen, besonders aktiv sind, leider alltäglich ist, mehr als angemessen. (ich merke schon, dass wird ein dezent umfangreicher Blogeintrag, hoffentlich seid ihr noch nicht eingeschlafen :D)
Zur Abwechslung deshalb mal eine wirklich spannende Info: Ich hab am Freitag das erste wirklich exotische Tier gesehen: ein Gürteltier, dass einfach gemütlich in einem Busch rumraschelte! Die kommen sogar hier nicht so oft in städtischen Gebieten vor. Mal schauen, wie lang die Liste an Tieren wird, wenn ich erstmal im Regenwaldprojekt bin.
Ney lieferte mich pünktlich (ja, dieses Wort existiert, wenn auch nicht oft, auch  im Sprachgebrauch der Ticos) bei Nele, der anderen Deutschen hier ab, die gerafe mit ihrem Sprachkurs fertig war. Bei einem gemeinsamen Stadtspaziergang lernte ich das kleine, aber feine Zentrum Sámaras kennen. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass auch hier die "alternative Ökowelle, wie ich sie nenne, langsam überschwappt. Es gibt einen Veggie-Burgerladen und ein megageiles Biogeschäft. Dort werde ich sicher noch den ein oder anderen Colón lassen. An einem Stand probierten wir Litchees, die von außen so verrückt aussahen, als wären sie nicht von dieser Welt (keine Sorge Mama, sie waren novh geschlossen und die hygienischen Bedingungen waren tip top ;)). Abends hieß es dann das erste, aber definitiv nicht letzte Mal an diesem Wochenende: ¡Fiesta! Für so einen kleinen Ort bietet Sámara echt eine gute Auswahl an Bars und Discotheken. Die Musik ist typisch lateinamerikanisch, deutsche bzw. Europäer im Allgemeinen erkennt man meistens schon von Weitem an ihrem grenzwertigen Rhythmusgefühl und den etwas steifen Bewegungen. Das Publikum ist sehr gemischt, die Getränke in den Clubs verglichen mit den normalen Preisen ziemlich teuer (für uns immer noch bezahlbar, ein Bier für umgerechnet etwa 2€). Alles im Prinzip fast alles wie beim Alten, wären da nicht diese zum Teil sehr aufdringlichen Muchachos. Vielleicht war es Glück, oder der Tatsache geschuldet, dass ich im Schnitt ein Kopf größer bin als die Kerle, aber ich wurde noch relativ verschont. Meine Freundin Nele mit ihren blonden Haaren hatte nicht ganz so viel Glück (um ihr nicht in den Rücken zu fallen, soll ich an dieser Stelle einwerfen, dass sie die ganze Zeit von einem 1,95 großen, gutaussehenden und durchtrainierten Latino mit dem Hüftschwung des Jahrtausends angetanzt wurde, ... ;)). Gegen 3.30 Uhr brachten mich die anderen nach Hause. Unser Weg führte uns vorbei am Strand mit einem Sternenhimmel, wie ich ihn selten gesehen hab. Natürlich, das hat sich auch hier nicht geändert, hatte ich meine Brille nicht auf und war wie immer eine kleine Eule. Deshalb kam es zu kleinen Unstimmigkeiten, ob es sich bei den Flugobjekten am Himmel um Glühwürmchen oder Sternschnuppen handelte. Mir egal, ich hab mir trotzdem was gewünscht :P. 
Als ich am nächsten morgen gemütlich um 10 aufwachte, war schon wieder Full House, die ersten Partygäste für den Abend waren angekommen und wollten mit mir an den Strand. Dazu hielten sie das erst beste Auto an und wir trampten gemütlich zu 7 auf vier Sitzen nach Carillo, in die nächste Bucht. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Gummibärchen, dass zusammen mit seinen Kompanen in einer viel zu kleinen Tüte bei 30 Grad in der Sonne zusammenschmilzt. Carillo ist im Gegensatz zum Strand in Sámara ein wahrer Bilderbuchstrand und jetzt im "Winter" ein absolutes Surferparadies. Der optische Unterschied zu dem Strand hier beruht darauf, dass Carillo vor dem Erdbeben, dass hier vor ziemlich genau 2 Jahren die Regale von den Wänden hat fallen lassen und periodisch etwa alle 5 Jahre an dieser Stelle aufgrund plattentechtonischen Verschiebungen auftritt, weitgehend verschont geblieben ist. Als ich zurück kam, war Sandra schon seit mehreren Stunden am kochen und Ney hatte mit der Dekoration begonnen. Wieder einmal hat mich so extrem beeindruckt, wie sie mithilfe einfachster Mittel etwas ganz wundervolles schaffen. Die Party war so aufwendig, wie bei uns meistens nur der 18. oder vielleicht runde Geburtstage. Abends versammelten sich unzählige Gäste in unserem kleinen Häuschen, es wurde costaricanischer Rum ausgeschenkt, und das Geburtstagskind wurde standesgemäß mit dem Gesicht die aufwendig gestaltete Torte gedrückt. Und obwohl mir nach all den Aktivitäten schon die Augen zu fielen, kam ich natürlich auch an diesem Abend nicht daran vorbei, nochmal in eine Tanzbar in die Stadt zu gehen. Was war ich den Lehrern in der Schule dankbar, dass sie uns für Sonntagvormittag von den Vorbereitungen für den Bingo-Nachmittag befreit haben. 
Zusammen mit Sandra, Nele, unserer Betreuerin Angie und meinem neuen Fahrrad ging es also am nächsten Tag ganz entspannt zum Bingo. Und wieder einmal wurden alle meine Erwartungen übertroffen. Aber nicht um 10%, sondern um mindestens 50! Stellt euch vor in Rostock würde irgendeine Grundschule in einem Vorort mit vielleicht 350 Einwohnern einen Bingonachmittag an einem Sonntag ankündigen. Wie viele wären wohl da? Die Lehrer und ein paar Schüler mit ihren genervten Eltern, die ihren freien Tag für so einen Quatsch opfern müssen. Und hier?! Hier ist es ein richtiges kleines Event, dass keiner verpassen will. Die Dorfbewohner bereiten es seit Tagen vor, einige Muttis helfen in der Küche, andere bauen die Leinwand und den Beamer auf, Geschäfte aus ganz Sámara spenden teure Preise, wie Drucker, nagelneue Geschirrsets etc. Und auch wie emotional die Ticos dabei sind: ab und zu brechen regelrechte Tumulte aus, wenn fast 10 Personen gleichzeitig Bingo schreien. Sandra und ich hatten bis zuletzt gehofft, einen neuen Ventilator mit nach Hause nehmen zu können, nachdem ich seit Tagen befürchte, der in meinem Zimmer würde eines Nachts explodieren :D Aber nein, Bingo-King hat versagt. Die bisherige Gewinnstatistik von 100% (erstes Mal Bingo auf der AIDA) ist versaut. Was ein "día triste"! Zum Trost haben wir Sandra das Sprichwort "Pech im Spiel, Glück in der Liebe" beigebracht ;) Als allerletztes gewann Nele dann noch einen Special-Preis: einen Gutschein für eine Pediküre in einem Kosmetiksalon! Spätestens das hat dieses unglaubliche Wochenende abgerundet! Wenn die nächsten auch nur halb so spektakulär werden...


Mein ganzer Stolz: Das neue Fahrrad! Ich konnte den Preis immerhin auf 80$ runterhandeln und hoffe, ich kanns später wieder weiterverkaufen! Außer den etwas abebteuerlichen Bremsen ist es in einem super Zustand!


Partyvorbereitung auf costaricanisch! Von links nach rechts: Nele (mein kleines Blondie-Girl), Lisa (die an heute wieder auf dem Weg zurück nach Deutschland ist, weil sie nur ihre Sommerferien hier verbracht hat), Ronny (Gastbruder der beiden mit einem Fabel für leuchtende Fahrradhandschuhe), Man Chao (?) (Kumpel von Ronny, der fast so heißt wie ein Sänger aus dem Spanischbuch in der Schule), meine Wenigkeit, und die Runde komplettieren: Tortillachips mit Limettengeschmack, etwas gewöhnungsbedürftig, sowie O-Saft, der noch nie eine Orange gesehen hat. 


Noch etwas chaotische Partydekoration, aber das Endergebnis war der Hammer!


Hier hab ich einfach mal mein Frühstück fotografiert. Ich präsentiere: die geilste Ananas, die ich je gegessen hab!


Es war einmal eine Zeit, in der der Bingo-King noch zuversichtlich war. Die Maiskörner dienten als Spielsteine. Die Ticos - Improvisationskünstler Nr. 1.


Überblick über die verrückte Bingo-Meute :D




Ich hoffe, dass ich morgen in der Schule mal Fotos von meiner Kamera hochladen kann! Hasta luego! <3

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